Mehr Demokratie warnt vor Einschränkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Hessen

+++ Mehr als jedes 10. Bürgerbegehren könnte durch Erweiterung des Ausschluss-Katalogs zukünftig wegfallen +++

Mehr Demokratie e.V.
Landesverband Hessen
Pressemitteilung
22.08.2024 

Mehr Demokratie warnt vor Einschränkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Hessen
+++ Mehr als jedes 10. Bürgerbegehren könnte durch Erweiterung des Ausschluss-Katalogs zukünftig wegfallen +++

Auf der heutigen Pressekonferenz (22.08.24) hat Mehr Demokratie die geplanten Einschränkungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hessen kritisiert. Matthias Klarebach, Landesvorstandssprecher von Mehr Demokratie Hessen, sagt dazu: „Die geplante Reform der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hessen stellt einen starken Einschnitt in die Mitbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger dar. Die direktdemokratischen Verfahren aus der Praxis der letzten Jahre zeigen: Die Angst vor der direkten Demokratie auf Gemeindeebene ist sachlich nicht begründbar. Die Landesregierung begibt sich mit ihrer Reform auf einen Irrweg.“

Konkret soll der Negativ-Katalog für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hessen erweitert werden. Die Regelung, die die Landesregierung aus der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung übernommen hat, würde zukünftig direktdemokratische Verfahren zu Themen ausschließen, die „im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens, eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind“. Das beträfe nach aktuellen Analysen von Mehr Demokratie etwa jedes 10. Bürgerbegehren in Hessen.

„Mit den geplanten Einschränkung wären beispielsweise Bürgerbegehren zu Umgehungsstraßen zukünftig nicht mehr möglich. Gerade diese Entscheidungen sind aber sehr weitreichend und werden auf Jahrzehnte getroffen. Hier die Bürgerinnen und Bürger auszuschließen ist schlichtweg falsch. Bürgerbegehren sind ein rechtsicheres Verfahren, um Streit in den Gemeinden schnell beizulegen und Planungssicherheit zu schaffen. Wer Schlichtungswege abschafft, verhindert keine Konflikte“, so Klarebach weiter.

Prof. Dr. Arne Pautsch, Professor für Öffentliches Recht und Kommunalwissenschaften und Sprecher des Kuratoriums von Mehr Demokratie, erklärt: „Die pauschale Ausweitung der Unzulässigkeitsgründe schießt über das Ziel, Verzögerungen bei Infrastrukturvorhaben zu vermeiden, weit hinaus. Es erschwert bzw. verunmöglicht in dieser Pauschalität Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in allen Angelegenheiten, die auch nur einen mittelbaren Bezug zu einem entsprechenden Vorhaben aufweisen. Damit wäre es vermutlich künftig auch unzulässig, über Vorfragen wie Standortfestlegungen oder kommunale Finanzierungsbeteiligungen zu entscheiden. Diese wichtigen Aspekte müssen aber der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene weiterhin zugänglich bleiben.“

Alexander Trennheuser, Bundesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, sagt: „Nicht nur in Hessen, auch in Bayern oder Schleswig-Holstein gab oder gibt es Debatten um die Einschränkung von Bürgerentscheiden.“ Das sei in einer Zeit, in der die Demokratie und ihre Institutionen von vielen in Frage gestellt wird das absolut falsche Signal. „Die Hürden zu senken, statt sich abzuschotten, das wäre der richtige Weg!“, so Trennheuser weiter. Auch in Bayern drohen Einschränkungen für Bürgerbegehren. Ein Runder Tisch zur „Weiterentwicklung“ von Bürgerentscheiden wurde dazu einberufen, an dem auch Mehr Demokratie teilnimmt. Ende März 2023 schränkte die schleswig-holsteinische Landesregierung Bürgerentscheide massiv ein. Dagegen startete Mehr Demokratie zusammen in einem breiten Bündnis eine erfolgreiche Volksinitiative. Die Initiatoren der Volksinitiative erarbeiteten zusammen mit den Regierungsfraktionen im Landtag einen Kompromiss, der danach vom Landtag einstimmig beschlossen wurde.

+++ Hintergrund +++

Seit April 1993 sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hessen möglich. Bis August 2024 (dem Ende des Untersuchungszeitraums) wurden 546 direktdemokratische Verfahren neu eingeleitet, 521 davon als Bürgerbegehren „von unten“. Die von der Landesregierung beabsichtigte Reform hätte zur Folge, dass 60 der 546 Verfahren nach neuem Recht künftig ausgeschlossen wären. Das betrifft besonders drei Themenbereiche. Im Bereich Entsorgungsprojekte wären mehr als die Hälfte aller Verfahren betroffen (13 von 24 Verfahren), hierbei handelt es sich vor allem um Verfahren zu Deponieerweiterungen oder Müllverbrennungsanlagen. Von den Verkehrsprojekten wären 40 von 93 Verfahren betroffen, hier geht es beispielsweise um Umgehungsstraßen. Im Bereich Wirtschaftsprojekte beträfe die Regelung Großprojekte wie etwa große Biogasanlagen oder Kiesabbau-Projekte (7 von 125 Verfahren).

Weiterführende Informationen:
Presseinformation: Bürgerbegehren und Planfeststellungsverfahren in Hessen: Die Praxis: https://nrw.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2024/2024-08-22_Presseinformation_Hessen_Buergerbegehren.pdf

Videobotschaft Alexander Trennhäuser, Bundesgeschäftsführer von Mehr Demokratie e.V.
https://www.facebook.com/reel/7935877523146945 _blank

​​​​​​​Bei Rückfragen:
Ina Poppelreuter
0178-8163017
0221-66966512

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