Wiesbaden. Bei der heutigen Sachverständigenanhörung zur Kommunalrechtsnovelle (14 Uhr, Hessischer Landtag) wird der Landesverband Hessen von Mehr Demokratie e.V. eine faktenbasierte Diskussion zur geplanten Einschränkung von Bürgerentscheiden einfordern. "Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Von 546 Bürgerentscheiden seit 1993 betrafen nur 60 Planfeststellungsverfahren. Die Landesregierung liefert keine Belege für ihre Behauptung, dass Bürgerentscheide Infrastrukturprojekte grundlegend verzögern. Es mangelt an Empirie jenseits der Anekdote", sagt Matthias Klarebach aus dem Landesvorstand von Mehr Demokratie Hessen.
Die Gesetzesänderung soll Bürgerentscheide bei Planfeststellungsverfahren zukünftig ausschließen. Mehr Demokratie Hessen kritisiert das scharf. "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind der einzige Weg, wie sich Bürger zwischen den Wahlen verbindlich in ihren Gemeinden einbringen können. Statt neue Hürden aufzubauen, sollten wir bestehende abbauen", so Klarebach. Ein großes Hindernis sei aus seiner Sicht der komplexe Kostendeckungsvorschlag, den Bürger bereits bei der Initiierung eines Bürgerbegehrens vorlegen müssen. Hier hätten andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder NRW bessere Lösungen: Die Kostenschätzung wird dort von der Gemeinde erstellt.
Mehr Demokratie schlägt ein Reformpaket vor, um die Demokratie in Hessens Kommunen zu stärken: Erstens die Einführung des Einwohnerantrags - Hessen ist das letzte Flächenland ohne dieses Instrument. Mit einem Einwohnerantrag kann per Unterschriftensammlung ein Thema auf die Agenda der Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung gesetzt werden. Anders als beim Bürgerbegehren sind die Quoren aber niedriger und es folgt kein Bürgerentscheid. Zweitens die Verlagerung der Kostenschätzung auf die Gemeinden. Drittens die Einrichtung einer zentralen Servicestelle für Bürgerbeteiligung nach baden-württembergischem Vorbild.
Dass Bürgerentscheide konstruktiv wirken können, zeige das Beispiel Bad Homburg: Hier sprachen sich die Bürger 2018 mit großer Mehrheit für eine U-Bahn-Verlängerung aus - ein Vorgehen, das nach der Gesetzesnovelle nicht mehr möglich wäre.
Auch für die geplante Einführung des d'Hondt-Auszählungsverfahrens bei Kommunalwahlen fehle laut dem Demokratie-Fachverband die empirische Grundlage. Die These einer angeblich drohenden Gefährdung der Handlungsfähigkeit der Kommunalvertretungen wurde im gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht belegt. "Es gibt bessere Wege, die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu stärken - etwa durch zusätzliche Anreize zur Fraktionsbildung", erläutert Klarebach.
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