Argumente für das Wahlrecht 16

Dass Jugendliche trotz anderslautender Aussagen engagiert und politisch interessiert sind, ist spätestens seit Fridays for Future klar. Die weltweiten Demonstrationen für Klimagerechtigkeit zeigen durch ihre Mobilisierungskraft, dass junge Menschen mitbestimmen wollen und sich für politische Inhalte interessieren. Daher kämpfen sie aktiv für ihr Wahlrecht - wie die Inititative Jugend Wählt. Die Absenkung des Wahlalters auf 16 zeigt, dass dadurch nicht nur individuelle Grundrechte geschützt werden, sondern auch die demokratische Legitimation politischer Entscheidungen steigt. 

Grundrecht mit eingeschränkter Kopplung an Volljährigkeit 

Das Wahlrecht ist in Deutschland ein grundlegendes Recht. Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes besagt, dass „alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird.“ Zugleich schränkt das Grundgesetz dieses Recht durch Art. 38 Abs. 2 ein, wonach „[w]ahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“ Die Volljährigkeit tritt nach §2 BGB mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Auch wenn aktuell das aktive wie passive Wahlrecht für Wahlen des Bundestages und Europaparlamentes bei 18 Jahren liegt, ist nur das passive Wahlrecht ausdrücklich an die Volljährigkeit gekoppelt.

Die Regelungen des Art. 38 Abs. 2 gelten allerdings nicht für Landtags- und Kommunalwahlen. Die Hessische Gemeindeordnung verstößt somit also gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Es bedürfte auf Landes- und Kommunalebene plausibler Gründe, um die 16- und 17-Jährigen von der Wahrnehmung ihrer politischen Rechte auszuschließen. 

Die zivilrechtliche formale Volljährigkeit ist rechtlich keine Begründung für einen Entzug des Wahlrechts der 16- und 17-Jährigen und schließt die ausreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit von Jugendlichen über 16 nicht aus. 

Politische Reife und Urteilskraft

Entgegen anderslautender Einwände zeigen empirische Studien, dass Jugendliche ab 16 Jahren über das notwendige politische Wissen und die ausreichende Kompetenz verfügen, um zu einer Wahlentscheidung zu kommen, die auf fundierten Abwägungen basiert (Faas/Leidinger 2020; Gründinger 2017; Vehrkamp et al. 2015a). Die politische Kompetenz und das politische Selbstbewusstsein von Jugendlichen sind besser als ihr Ruf.

Jugendliche wollen wählen

Abseits der Frage, ob 16- und 17-Jährige die notwendige Reife aufweisen, wird oft von einer "politikverdrossenen Jugend" gesprochen. In Untersuchungen zu Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg kommen Wahlforscher zu dem Ergebnis, dass Jugendliche ab 16 mehrheitlich die Absenkung des Wahlalters befürworten (Faas/Leidinger 2020).

Legitimation politischer Entscheidungen

Junge Menschen werden aufgrund ihres geringen Anteils an der Bevölkerung oftmals in ihren Belangen und auch von der Wahl- und Einstellungsforschung übersehen. Dennoch sind gerade Jugendliche von den dringenden Fragen unserer Zeit, sei es der Klimawandel, die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme und der demographische Wandel, in der Zukunft besonders betroffen. Die Beteiligung junger Menschen am politischen Geschehen ist also eine Frage von generationengerechter Politik. Mit einem Wahlrecht ab 16 würden mehr von Maßnahmen betroffene Menschen in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden, was die Legitimation dieser Entscheidungen erhöhen würde. Die Zulassung von 16- und 17-Jährigen zur Wahl stabilisiert unser demokratisches System. 

Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren haben auf Landesebene in den Bundesländern mit aktivem Wahlrecht ab 16 Jahren bewiesen, dass sie sich stärker an den Wahlen beteiligen als die Wahlberechtigten in den Altersgruppen der 18- bis 35-Jährigen und teilweise bis 45-Jährigen. Wahlstatistiken zeigen, dass jugendliches Wahlverhalten außerdem nicht in großem Umfang von dem der Gesamtbevölkerung abweicht (u.a. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein). Parteipolitische Vereinnahmungen des Wahlalters 16 laufen daher ins Leere.

Wahlhabitus 

Aus Sicht der politischen Sozialisation Jugendlicher ist ein Wahlalter 16 nur zu befürworten. Die institutionelle Einbindung junger Menschen in die Familie und in das Schulsystem kann gewährleisten, dass sie auf die Wichtigkeit von Wahlen vorbereitet werden (Kritzinger/Zeglovits 2016). Die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an den ersten politischen Wahlen beeinflusst den "Wahlhabitus" junger Wähler*innen. Statistisch gesehen bestimmt die Höhe der Erstwahlbeteiligung eines Jahrgangs das Niveau der Wahlbeteiligung des gesamten Wahllebenszyklus (Vehrkamp et al. 2015b). Ein Wahlrecht ab 16 Jahren bietet also die Chance, die Wahlbeteiligung langfristig zu steigern.

Daher fordert Mehr Demokratie: Absenkung des Wahlalters auf 16 in Hessen!

Quellen

Faas, Thorsten/Leininger, Arndt (2020): Wählen mit 16? Ein Empirischer Beitrag zur Debatte um die Absenkung des Wahlalters. Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung. OBS-Arbeitspapier 41. Frankfurt: Otto-Brenner-Stiftung.

Gründinger, Wolfgang (2017): Interesse an Politik. In: Wahlrecht für Jugendliche und ältere Kinder, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, Stuttgart.

Kritzinger, Sylvia/Zeglovits (2016): Wählen mit 16? – Chance oder Risiko? In: Tremmel, Jörg/Rutsche, Markus (Hrsg.): Politische Beteiligung junger Menschen. Grundlagen – Perspektiven – Fallstudien. Wiesbaden: Springer VS. S. 185-199.

Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (Hrsg.) (2020): Wahlverhalten nach Altersgruppen und Geschlecht. In: Analyse der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 in Hamburg.

Vehrkamp, Robert/Im Winkel, Niklas/Konzelmann, Laura (2015): Wählen ab 16 – Erfahrungen und Lehren aus Österreich und drei deutschen Bundesländern. In: Wählen ab 16, Studie der Bertelsmann Stiftung,  Gütersloh. S. 26-51.

 

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