Gesetzentwurf der SPD: Historische Chance auf ein Wahlrecht 16 für Kommunalwahlen

Die hessische SPD forderte am Mittwoch per Gesetzesinitiative eine Herabsenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen. Die oppositionelle FDP und die Linkspartei wollen das Vorhaben unterstützen. Die von zwei hessischen Jugendlichen eingereichten Klagen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Kommunalwahl im vergangenen März ist trotzdem wichtig, weil die Frage des Wahlrechts keine von politischem Opportunismus ist. 

Die damals 17-jährigen Schüler Tom Kewald und Jonathan Faust haben vor den zuständigen Verfassungsgerichten im Juli Klage gegen die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Kassel und die OB-Wahl in Marburg eingereicht. In 11 von 16 Bundesländern haben Jugendliche auf kommunaler Ebene das aktive Wahlrecht. “Man kann doch niemandem erklären, warum 16- und 17-Jährige in NRW reif und kompetent genug sein sollen, eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen, aber 16- und 17-Jährige in Hessen nicht“, begründet Kewald sein Engagement für mehr Mitbestimmung durch Jugendliche in Hessen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion argumentiert, dass man außerdem im Alter von 14 Jahren in Deutschland religions- und strafmündig sei, mit 16 Jahren viele Jugendliche bereits eigenes Geld verdienten und Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge zahlten. Immer wieder als wichtig betonte Mitbestimmung durch ein grundlegendes demokratisches Recht bleibe jungen Menschen aber verwehrt. Bereits 1998 war das Wahlrecht unter Rot-Grün abgesenkt worden, wurde allerdings nach nur einem Jahr von Roland Koch (CDU) wieder angehoben.

Verfassungsrechtler Hermann Heußner von der Hochschule Osnabrück, der die Kampagne der jugendlichen Demokratiekämpfer rund um die Klageeinreichung gemeinsam mit den Vereinen Mehr Demokratie Hessen und JugendWählt unterstützt, sieht den in der Hessischen Gemeindeordnung festgeschriebenen Ausschluss der Jugendlichen als verfassungswidrig an. Weder das Grundgesetz noch die Hessische Verfassung sehe ein Wahlmindestalter von 18 Jahren bei den Hessischen Kommunalwahlen vor. „Menschen ihr Wahlrecht zu entziehen, ist nur zulässig, wenn die erforderliche Reife und Vernunft fehlen. Bei 16- und 17-Jährigen gibt es dafür aber keine belastbaren Nachweise. Die Forschung zeigt sogar, dass diese Jugendlichen die notwendig Reife haben. Damit ist die Wahlaltersgrenze von 18 Jahren klar verfassungswidrig“, so Heußner.

Die Kläger Kewald und Faust begrüßen ebenso wie Heußner die politische Initiative der SPD-Fraktion. Auf allen Ebenen brauche es ausreichend politischen und zivilgesellschaftlichen Druck, damit bei der nächsten Kommunalwahl 2026 16- und 17-Jährige zur Urne gebeten werden. Dass die Gesetzesinitiative der SPD-Fraktion Erfolg hat, ist keineswegs sicher. Die CDU-Regierungsfraktion ist gegen den Entwurf, die mitregierende Grüne zwar grundsätzlich dafür, beruft sich aber auf den Koalitionsvertrag, laut welchem ein Wahlalter 16 nicht vorgesehen sei. Kewald und Faust haben derweil ihre Erfahrung als Erstwähler gemacht – allerdings bei der Bundestagswahl als mittlerweile Volljährige.

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Matthias Klarebach

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