„Verkehrswende Hessen“ – historische Chance für die Direkte Demokratie!

Mit einem Volksbegehren wollen mehrere Verbände eine Verkehrswende in Hessen durchsetzen. Ihr Vorhaben stellten der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Hessen, der Fußgängerverband Fuss e.V., der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie die Radentscheide Frankfurt, Darmstadt, Kassel und Offenbach Anfang September vor. Innerhalb eines Jahres müssen auf dem Weg zum Volksentscheid circa 45.000 Unterschriften gesammelt werden. Hessen hat mit diesen Vorgängen eine historische Chance auf wichtige direktdemokratische Lerneffekte – und das mit einem Thema, welches gesellschaftliche Konjunktur hat. 

Das breite Bündnis des Volksbegehrens Verkehrswende fordert eine „echte Verkehrswende, um eine gute Mobilität für alle, mehr Verkehrssicherheit, eine höhere Lebensqualität in Städten und Gemeinden und effektiven Klimaschutz zu verwirklichen.“ Umweltfreundliche Verkehrsarten sollen einen größeren Anteil am Gesamtverkehr einnehmen. Dabei geht es vor allem um den Ausbau von Rad- und Gehwegen sowie die Gewährleistung eines flächendeckenden ÖPNV-Liniennetzes. Attraktive Alternativen zum motorisierten Individualverkehr sollen die Mobilität bis 2030 klima- und sozialverträglich gestalten sowie durchgängige Barrierefreiheit erreichen.

Die Verkehrsplanung soll insbesondere an Fußgänger:innen und Radfahrer:innen orientiert sein. Um diese Ziele zu erreichen, haben die Organisator:innen einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, für den sie seit über einem Monat Unterschriften sammeln.

Volksbegehren und -entscheide – was ist das?

Die Direkte Demokratie ergänzt auf Landesebene unsere repräsentative Demokratie um die Möglichkeit der Volksgesetzgebung. Alle hessischen Bürger:innen können Entscheidungen des Landtags widerrufen oder neue Themen auf die politische Agenda setzen. Dadurch erhalten Bündnisse oder theoretisch auch Privatpersonen die Möglichkeit, selbst Gesetze zu erlassen, zu verändern oder aufzuheben.

Das direktdemokratische Verfahren für Bürger:innen in Hessen ist dreigliedrig. Um direkt Einfluss auf die Landespolitik nehmen zu können, müssen Initiativen zunächst einen Gesetzentwurf ausarbeiten und ein Volksbegehren beantragen. Für die Unterstützung des Gesetzentwurfes und die Beantragung des Begehrens sind rund 45.000 Unterschriften frei zu sammeln. Bei einer Zulassung des Begehrens bleibt Initiativen auf der zweiten Stufe 6 Monate Zeit, circa 5% der Stimmberechtigten zu mobilisieren – inklusive Überzeugungsarbeit, dass diese ihre Unterschrift auf den Gemeindebehörden leisten, was wir bereits an anderer Stelle thematisiert haben. Zum Volksentscheid kommt es dann, wenn diese Hürden übersprungen werden. Hierbei stimmen alle Bürger:innen über ein Gesetz ab.

„Verkehrswende Hessen“ – warum so wichtig im direktdemokratischen Niemandsland Hessen?

Was wäre das Besondere an einem erfolgreichen Volksbegehren Verkehrswende? Bisher gab es in Hessen sieben Anläufe für einen Antrag auf ein Volksbegehren – und nur ein Antrag im Jahr 1966 übersprang die erste Hürde. Zu einem Volksentscheid kam es bis dato noch nie – eine ernüchternde Bilanz für alle Demokratiebegeisterten.

Dabei sind Volksbegehren ein zentrales Instrument der Bürger:innenbeteiligung. Die Möglichkeit, ein Thema zwischen Wahlen auf die tagespolitische Agenda zu setzen, ist nicht zu unterschätzen. Demokratie ist schließlich kein Warteraum, in dem man sitzt und auf den nächsten Wahltag wartet.

Mit Elementen der Direkten Demokratie wird die Demokratie zu einem Marktplatz, auf dem gemeinsame Themen erörtert werden. Ein Volksbegehren könnte den Impuls für einen sehr tiefen und breiten Austausch über die alle Bürger:innen betreffenden Themen Klimaschutz und Verkehrswende geben. Die Intensivierung des gesellschaftlichen Diskurses führt darüber hinaus dazu, dass die Entscheidungsfindung nachvollziehbarer wird. Jede gute Demokratie braucht eine hohe Akzeptanz gegenüber politischen Entscheidungen, die durch die direkte Beteiligung aller Bürger:innen an einer Abstimmung über ein Gesetz erreicht wird. Das ist in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit nicht zu unterschätzen.

Die Möglichkeit zur direkten Mitbestimmung erhöht das politische Engagement der Bürger:innen, die potenziell durch einen Volksentscheid politisiert werden und sich anschließend auch in anderer Hinsicht für unsere Demokratie einsetzen. Für aufmerksame politische Vertreter:innen haben Volksbegehren „seismographische Funktion“, weil sie aufzeigen, was den Bürger:innen auf den Nägeln brennt. Politische Lerneffekte erzielen also nicht nur die sich beteiligenden Bürger:innen, sondern auch die Parteien und Mandatsträger:innen.

So oder so ist klar: Das Volksbegehren Verkehrswende geht nicht nur die Ballungszentren in Hessen etwas an, sondern muss das ganze Land erfassen. Alle Stimmberechtigten sollten sich mit den Inhalten des Gesetzentwurfes zu befassen. Auf dem Weg zum Volksentscheid sind mit dem Start der Unterschriftensammlung die ersten Schritte getan – auch wenn alle Beteiligten noch einen langen Atem brauchen werden.

 

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